Heute zum Jahreswechsel gibt es einen kurzen Rückblick auf die schönen Seiten Wiens. Natürlich gibt es auch Dinge, denen ich keine Träne hinterherweinen werde, wie die verrauchten Lokale (die es wohl auch noch länger geben wird, nachdem die neue österreichische Regierung angekündigt hat, das für 2018 geplante Rauchverbot zu kippen), die reglementierenden Zäune in den viel zu ordentlichen Parks, die fehlenden Straßenbäume, die aggressiven Autofahrer, die Dauerbaustelle vor meinem Fenster und die engen, versiegelten Gassen, die sich im Sommer in tropische Wüsten verwandeln, während im Winter der Wind hindurchpfeift.
Ganz abgesehen von den vielen lieben Freunden und Kollegen, die mir jetzt schon fehlen, gibt es vieles, was ich in den sechs ereignisreichen Jahren an Wien zu schätzen gelernt habe und was ich sicher sehr vermissen werde.
1) Der Donaukanal mit seiner immer neuen Street Art und den lässigen Lokalen. Als ich den Donaukanal entdeckt habe, wußte ich, daß ich mich in Wien wohlfühlen kann. Im Gegensatz zum Rest der Stadt, der mir größtenteils doch zu ordentlich und konservativ ist, ist der Donaukanal einer der wenigen Orte in Wien, an dem es noch Freiräume gibt. Leider wird auch er mit schicken Lokalen und Werbe-Events zunehmend kommerzialisiert und gentrifiziert.
2) Der Karmelitermarkt. Mein all-samstägliches Ritual: am Donaukanal entlang zum Karmelitermarkt im 2. Bezirk spazieren oder mit dem Fahrrad fahren, um für die Woche einzukaufen. Zugegeben, der Markt ist mit seinen vielen Lokalen und Krimskrams-Ständen schon ziemlich Bobo, wie der Wiener die “bourgeois bohemians” nennt, die dort vorzugsweise einkaufen. Aber die reichliche Auswahl an Bio-Obst und Gemüse aus der Region, Blumen, Brot, Käse und Schinken ist schon einmalig!
3) Der Wiener Sommer. Im Sommer fand ich Wien eigentlich immer am schönsten. Da locken nämlich zahlreiche Open-Air-Konzerte und Sommerkinos, vieles davon mit gratis Eintritt, die Wiener nach draußen – ganz wie beim ‘Estate Romana’, den ich in Rom immer so genossen habe. Beim Donaukanaltreiben, Popfest auf dem Karlsplatz oder dem traditionsreichen Donauinsel-Fest habe ich neue österreichische Bands entdeckt, und auf immer wechselnden Plätzen in der Stadt gab es auf großer Leinwand Filme zu sehen, die ich mir sonst wahrscheinlich nie angeschaut hätte.
4) Im Sommer mal schnell in die Alte Donau hüpfen. Dieser Altarm der Donau heizt sich zwar im Laufe des Sommers auf, und beim Schwimmen kitzeln einem die Unterwasserpflanzen an den Füßen, wenn sie nicht gerade frisch gemäht sind. Doch zu verlockend war das kühle Naß im heißen Sommer: schnell vom Büro aus mit der U-Bahn oder mit dem Fahrrad zur Romawiese, ein paar Runden im Wasser gedreht und abschließend beim Birner noch eine Kugel Kürbiskernöl-Eis geschleckt :-)
5) Die Festwochen. Das Theaterfestival war ein fester Bestandteil meines Wiener Frühsommers. Jedes Jahr war ich aufs Neue beeindruckt, was für hochkarätige Produktionen aus aller Welt die Intendanten zusammengetrugen! Ich habe dort Inszenierungen aus Italien, dem Libanon, Iran und anderswo und beeindruckende zeitgenössische Opern gesehen. Dazu gab es immer eine gute Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Im November folgte dann das Wiener Filmfestival Viennale, wo ich ganz ohne Anstehen viele internationale Filme angeschaut habe.
6) Die Nähe zum Wienerwald. Was ich in Wien ganz besonders geliebt habe, waren meine Wanderungen im Wienerwald. Schnell ist man aus der Stadt im Grünen. Im Laufe der Jahre bin ich sämtliche Stadtwanderwege abgegangen und sogar einmal rundumadum Wien gewandert. Meine Stammstrecke war aber der Kahlenberg, die ich bequem mit der Straßenbahn vor meiner Haustür erreichte. Besonders gerne bestieg ich auch den Bisamberg und kehrte auf dem Weg bei meinem liebsten Buschenschank in einem verwunschenen Weingarten ein. Überhaupt bringt die Nähe zu den Weinbergen die Heurigen mit sich, wo ich so manch schönen Abend mit Freunden verbrachte! Wenn man aus Berlin kommt, kennt man ja eigentlich nur ‘Weiß- und Rotwein’, in Wien lernte ich die Unterschiede zwischen den Rebsorten schätzen. Und natürlich den unwiderstehlichen, gefährlichen Sturm, den noch gärenden neuen Wein, der zum Ausklang des Sommers gehört!
Es gibt also genug Gründe, wieder nach Wien zu kommen!